Allgemein Deister

Zwangsarbeiterlager am Deister? Oder doch nicht?

Manche Steine geben ihr Geheimnis nicht so leicht preis. Vielleicht hat man sich bei manchen auch besonders bemüht Gras drüber wachsen zu lassen. Aber von Anfang an:

Geht man von Bennigsen aus den Meierhofweg hoch Richtung Deister, trifft man rechts am Wegesrand auf eine größere Fläche von Gebäude Fundamenten.

Ein Hundespaziergänger bemerkte meinen fragenden Blick in die Büsche, sprach mich an und erzählte, das seien Reste eines Zwangsarbeiterlagers der örtlichen Zuckerfabrik. Er hätte irgendwann mal die Chronik des Ortes gelesen als er da noch wohnte, da stände das.

Er warnte mich noch vor, eines der Gebäuderreste hätte früher noch eine Teppe in den Keller gehabt. Je weiter ich durch die Büsche stapfte, umso mehr Fundamente fand ich über ein recht großes Areal verteilt.

Zuhause wollte ich dann mehr darüber erfahren. Tja. Gar nicht so einfach. Wikipedia über Ort: nichts. Google weiss: es hat einen Steinbruch gegeben, Baracken für Flüchtlinge aus Schlesien. Die Linke hat mal eine Gedenkfeier gemacht für Personen im Außenlager der Hanomag. Irgendwie passen aber die Ortsangaben alle nicht.

Ich finde die Namen der 26 Zwangsarbeiter*innen, die im Ort begraben sind. Auch dabei Thadela, die nicht mal 4 Wochen alt wurde.

Auf der Seite des großartigen Herrn Gelderblom aus Hameln finde ich Stefan Kuzenko, 1946 in DP-Lager des Ortes geboren. Displaced Persons? Himmel warum habe ich vorher noch nie davon gehört?!

Über Twitter finde ich einen Anwohner, der für mich in die Chronik schaut. Das ist noch frustrierender:

Die Ortschronik ist von 1980, kein Wort zu Juden, kein Wort zu Deportationen und Zwangsarbeit und zu Nazis im Dorf. Das Wort Nationalsozialismus scheint gar nicht vorzukommen, dafür ist der Abschnitt über die Feuerwehr umso ausführlicher.

Langsam werde ich wütend. Wenn es stimmt, dass es sich bei diesen Fundamenten um Zwangsarbeiterlager gehandelt hat, dann müsste doch irgendwo (und ich weiss schon ein bissl wie man im Internet sucht) was zu finden sein! Auch über 2 Stunden Suche ohne Erfolg. Auf Twitter stolperte die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten über meinen Rant, gab weitere Tipps (Danke!) und nach ein paar Tagen sogar eine Buchempfehlung: Eike Rehren: Gedemütigt und ausgebeutet. Kriegsgefangene u. Zwangsarbeiter in Stadt und Landkreis Springe 1939–1945. Museum auf dem Burghof e. V., Springe 2009

Knappe 50€ sind mir zu viel um “nur“ endlich zu erfahren was da in den Büschen versteckt ist aber vielleicht finde ich ja noch jemanden, der das Buch hat und einen Blick für mich hinein wirft.


2 Kommentare zu “Zwangsarbeiterlager am Deister? Oder doch nicht?

  1. Christoph Blume

    Ich habe mir das Buch von Eike Rehren in der Stadtbibliothek Springe ausgeliehen. Das ist eine ausführliche historische Recherche über Zwangsarbeiter im ehemaligen Landkreis Springe. Und dort finden sich auch Hinweise auf das Lager am Deisterrand in Bennigsen („Mehlbruch“). Es sollen dort Russen und/oder Polen interniert gewesen sein, die bei der Reichsbahn oder in der Zuckerfabrik Bennigsen arbeiten mussten.
    Die Recherchen von Eike Rehren aus 2009 sind sehr interessant und lesenswert. Sie enthalten viele Aussagen von Augenzeugen, die auch zu der Zeit nicht mehr ganz vollständig und bereits undeutlich waren, Es war wohl höchste Zeit, dass jemand diesen Fragen ausführlich nachgegangen ist. Heute wäre es wahrscheinlich noch viel schwieriger, dazu noch mehr zu erfahren, weil viele Augenzeugen ja bereits gestorben sind.

  2. Gerhard Hertrampf

    In dem Bildarchiv der Region Hannover, Nachlaß Dierssen, befinden sich 3 Bilder des Baracken-Lagers aus dem Jahre 1950 mit der Bezeichnung „Alte Baracken der Luther-Werke, Steinkrug von dem Fotojournalisten Gerhard Dierssen
    Hinweis auf die Luther-Werke in Bennigsen
    Stadt Springe Bebauungsplan Nr. 37 „Meierhofweg“ , Stadtteil Bennigsen 2006
    1. Allgemeines
    1.1 Grundlagen Die Flächen im Plangebiet gehörten gemeinsam mit den nordöstlich angrenzenden Flächen zur ehemaligen Zuckerfabrik Bennigsen. Das Gesamtareal wurde von 1874 bis 1938 als Zuckerfabrik genutzt. Von 1936 bis 1938 wurde eine Flachsröste der Zuckerfabrik angegliedert. Ab 1939 bis 1945 dienten die Flächen den Arado-Werken und Luther & Jordan zur Herstellung von Flugzeugteilen.

    Eike Rehren/Gedemütigt und ausgebeutet : Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Stadt und Landkreis Springe 1939 – 1945
    Hinweise u.a. auf die Baracken:: Russenlager(ARADO-Werke) am Mehlbruch bzw. Lager für Ausländer mit Bezeichnung Waldlager und eine Luftaufnahme von 1945

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